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Prokletije Nationalpark

Die besten Ausgangspunkte für Wanderungen im Nationalpark sind Plav und Gusinje. Gusinje ist überschaubar: Männer mit Schirmmützen und Frauen mit Kopftüchern versuchen sich die Zeit zu vertreiben. Und wenn keine Esel durch die engen Gassen traben, durchstreifen sie riesige Pick-Ups mit amerikanischen Kennzeichen - v.a. wenn die Diaspora auf Heimaturlaub ist. Abends, nachdem der Muezzin gerufen hat, ist die Siesta im Gange und der Duft von frisch gegrillten Cevapcici verführt. Im 19. Jahrhundert war Gusinje übrigens 34 Jahre lang eine autonome Region, weil die Bewohner weder zu Albanien noch zu Montenegro gehören wollten.

Gusinje

Morgens starten wir zu Fuß durch das malerische Ropojana-Tal in die Albanischen Alpen. Ganz interessant: Das Prokletije-Massiv lässt sich ethnographisch in verschiedene Regionen gliedern. Mit dem Namen der verschiedenen Stämme - Krasniqi, Kelmendi, Kastrati, etc. - lässt sich die geographische Herkunft der Ortsansässigen ableiten.

vom Gletscher geformte Trogtäler

Überhängende Berge und zugespitzte Grate sind typisch für die Alpen. Manche Felswände ragen hunderte Meter senkrecht empor - ein echter Klettergarten.


Die Landschaft übertrifft die Erzählungen über sie. 


Faulbaum-Bläuling

Plötzlich glitzert uns neben dem Waldweg etwas Türkises in die Augen. Die Neugier ruft. Vor uns liegt eine runde Wasserlochquelle mit einer Tiefe von 8 Metern und subaquatischen Kalkklippen. Unglaublich. Ins Savino Oko (Auge) hinein zu springen ist verboten, das Wasser hat 4°C. Es zu bestaunen ist ohnehin schöner.

Savino Oko (1.007m)

Nach 3 km geht es bergauf. Balkanluchse, Braunbären, Iltisse, Wölfe, Hornottern, Adler, Füchse und Dachse sagen sich hier "Guten Morgen", oder je nach Gelüsten "Gute Nacht".


Karl May warnte in seinem Roman "Im Land der Skipetaren" vor dunklen, hageren Wegelagerern, die einen aus dem Hinterhalt überfallen. Tatsächlich treffen wir Wegelagerer: meist Tschechen und Polen. Im Gegensatz zu den May-Klischees sind Albaner und Montenegriner gegenüber Touristen besonders gastfreundlich.


Unterwegs bewirtet uns die Natur mit ihren wilden Köstlichkeiten:

Walderdbeeren

Brombeeren

Himbeeren

Unser Tagesziel sind 6 Bergseen: Buni e Jezerce. Auf einem Internetblog habe ich gelesen, man solle nur dem gut markierten Wanderpfad folgen. Das machen wir.

Hütte Ropojanski Zastan




Nachdem wir die Hütte und ein Waldstück hinter uns lassen, werde ich skeptisch. Denn meine Orientierung ist gut. Zu meinem Cousin sage ich:


"Nach der Hütte hätte im Wald eine 90°-Kehre kommen sollen. Die Seen müssten eigentlich genau dort hinten liegen. Aber dieser markierte Weg, den wir laut Internet-Blog nicht verlassen sollten, führt uns hier über einen steilen Bergrücken."

Schneckenhäuser kleben auf einem Felsen

Wir beraten uns 15min. Meinem Gefühl folgen oder doch auf dem markierten Weg bleiben? Wir entscheiden uns für die sichere Variante und folgen der Wegmarkierung. Als wir dann noch eine Fischdose und eine Zigarette unterwegs entdecken, meinen wir, auf dem richtigen Weg sein zu müssen. Vielleicht irre ich mich ja und die Seen liegen doch hinter diesem steilen Bergpass...


Doch als wir den Pass in größter Hoffnung und ziemlich erschöpft überwinden, folgt niederschmetternde Ernüchterung. Keine Seen. Noch höhere Berge. Ein Schild auf albanisch zeigt an: "2 Stunden. Nach rechts." Sollte die berüchtigte 90°-Kehre wirklich hier sein? Meinem Gefühl nach sind wir dafür schon viel zu weit gegangen und es war kein Bergpass eingeplant. Dann entdecke ich ganz oben am Horizont 5 Wanderer. Ich muss Gewissheit haben und will jetzt auch noch über den höchsten Pass laufen. Mein Cousin nimmt eine wohlverdiente Pause.


Nach nur 20min (ich glaube es kaum) stehe ich oben. Und bekomme ein SMS. Da wird mir alles klar. Ich bin in Albanien. Die 5 Wanderer sind schon weg. Vor mir liegen nicht die 6 Buni e Jezerce-Seen, sondern das riesige, sichelförmige Valbona-Tal Albaniens.

Cafa e Forumit-Pass - Grenzstein (2.039m)

Dunkle Wolken ziehen auf. Schnell laufe ich zu meinem Cousin hinunter und wir beginnen den Abstieg. Wir kommen in ein Unwetter. Blitze schlagen neben uns furchterregend ein. Aus den Zeitungen weiß ich, dass es keine Seltenheit wäre, wenn uns jetzt einer treffen würde. Unsere Füße tragen uns kaum noch, das Wasser ist längst aufgebraucht. 

"Im Land der Skipetaren"

Das ist einer von 6 Gebirgsseen, den wir sehen wollten. Beim Hinuntergehen achten wir auf jeden Baum und Felsen und entdeckten im Waldstück tatsächlich einen Hinweis auf eine Abzweigung zu den Seen. Die rote Farbe war aber vom Regen abgewaschen. Na toll. Dabei ist der Prokletije-Tourismus ein EU-Projekt - klare Schilder an wichtigen Abzweigungen wären da willkommen.

Buni e Jezerce (Quelle: Aleksandar Gospic)

Unser Ärger verfliegt aber schnell. Wegelagerer teilen uns später mit, dass wir bei Buni e Jezerce wegen des trockenen Sommers ohnehin keinen Tropfen Wasser gefunden hätten...

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